Die Rolle von Vertrauen und Reziprozität für #HomeOffice

23.06.2020, von Ann-Kathrin Crede

In unseren bisherigen Beiträgen zu Verhaltensökonomik und Coronakrise haben wir uns mit folgenden Themen beschäftigt: #StayHome als Beitrag zu einem öffentlichen Gut, der Psychologie von Hamsterkäufen, der grossen Wirkung von kleinen Massnahmen, der Rolle von Referenzpunkten für die Wahrnehmung der Lockerungsmassnahmen und dem #MoralDilemma zwischen knappen Ressourcen und dem unantastbaren Wert eines Menschenlebens. Im nachfolgenden Beitrag geht es um #HomeOffice und welche Rolle Vertrauen und Reziprozität dabei spielen.

Von heute auf morgen ins Homeoffice

Als der Bundesrat am 16. März die ausserordentliche Lage ausrief und die Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor dem Coronavirus verschärfte, musste alles ganz schnell gehen. So wechselten viele Arbeitnehmer mit Bürojobs mehr oder weniger von heute auf morgen ins Homeoffice. Für viele war dies das erste Mal. Zunächst einmal galt es, den Arbeitsplatz zu Hause einzurichten und sich mit den neuen Kommunikationsmitteln vertraut zu machen. Seither haben sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Erfahrungen mit Homeoffice gesammelt und die damit verbundenen Vor- und Nachteile für sich erfahren können. Zu Beginn dieser Umstellung waren vor allem Arbeitgeber skeptisch und fürchteten um die Produktivität ihrer Angestellten. Dafür gibt es eine ökonomische Erklärung.

Unvollständige Arbeitsverträge

Gemäss der Prinzipal-Agenten Theorie ist die Arbeitgeber-Arbeitnehmer Situation durch asymmetrische Informationen geprägt: Der Arbeitgeber kann das Verhalten seines Angestellten nicht vollständig beobachten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem unvollständigen Vertrag. Im Standardmodell der Theorie antizipiert der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer von sich aus nur die nötigste Arbeitsleistung erbringen wird, und wird seinen Arbeitnehmer darum maximal kontrollieren. Kann diese Kontrollausübung etwa wegen Homeoffice nicht mehr oder nur eingeschränkt stattfinden, wird der Arbeitnehmer gemäss Theorie seine Arbeitsleistung auf ein Minimum herunterfahren – zum Ärger des Arbeitgebers.

Kontrolle ist gut, aber ist Vertrauen besser?

Aus verhaltensökonomischer Sicht jedoch ist die Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung durchaus vielschichtiger: In einem Experiment haben Falk und Kosfeld (2006) untersucht, wie sich Kontrolle durch den Arbeitgeber auf die Motivation des Arbeitnehmers auswirkt. Dafür haben sie zwei Szenarien verglichen: Im einem Szenario konnte der Arbeitgeber Kontrolle ausüben, indem er dem Arbeitnehmer eine Mindestvorgabe zur Arbeitsleistung machen konnte. In einem anderen Szenario konnte der Arbeitnehmer frei über die zu erbringende Arbeitsleistung entscheiden.

Die Ergebnisse zeigen, dass Kontrolle zu einer geringeren Arbeitsleistung geführt hat. Während die meisten Arbeitnehmer im Szenario mit Kontrolle nicht mehr als das vorgeschriebene Mass arbeiteten, erbrachten Arbeitnehmer ohne Kontrolle durch den Arbeitgeber eine höhere Arbeitsleistung. Dies kann mit Kontrollaversion erklärt werden: Die intrinsische Motivation kann durch Kontrolle verloren gehen, weil sie als Zeichen von Misstrauen gesehen werden kann. Dahingehen kann der Kontrollverzicht Ausdruck von entgegengebrachtem Vertrauen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer sein.

An dieser Stelle kann der Arbeitgeber von positiver Reziprozität profitieren: Auf eine als positiv wahrgenommene Handlung (Vertrauen) reagieren die meisten Menschen mit einer ebenfalls positiven Antwort (höhere Arbeitsleistung). Vor diesem Hintergrund passt es, dass gemäss einer aktuellen Umfrage unter Schweizer Erwerbstätigen 72% der Befragten angeben, im Homeoffice entweder genauso produktiv oder produktiver als im Büro des Arbeitgebers zu arbeiten.

Homeoffice als neue Normalität?

Im Zuge der Lockerungsmassnahmen kehren mehr und mehr Arbeitnehmer in ihre Büros zurück. Gleichzeitig wagte Facebook-Chef Mark Zuckerberg die Prognose, dass in zehn Jahren rund jeder zweite Beschäftigte ausserhalb des Büros arbeiten wird. Arbeiten im Homeoffice könnte sich durch die Coronakrise also langfristig etablieren. Es ist unwahrscheinlich, dass Büros komplett verschwinden werden. Hingegen wäre ein Modell denkbar, in dem Arbeitnehmer ihre Arbeitswoche auf Homeoffice und das Büro des Arbeitgebers aufteilen. Auf längere Sicht bedeutet dies, dass Vertrauen und eine Vertrauenskultur zu einem Wettbewerbsvorteil von Unternehmen werden könnten.

 

Quellen:

Falk, A., & Kosfeld, M. (2006). The hidden costs of control. American Economic Review, 96(5), 1611-1630.

 

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