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Die Bedeutung von Framing für die Einhaltung der #Quarantäne

In unseren bisherigen Beiträgen zu Verhaltensökonomik und Coronakrise haben wir uns mit folgenden Themen beschäftigt: #StayHome als Beitrag zu einem öffentlichen Gut, der Psychologie von Hamsterkäufen, der grossen Wirkung von kleinen Massnahmen, der Rolle von Referenzpunkten für die Wahrnehmung der Lockerungsmassnahmen, dem #MoralDilemma zwischen knappen Ressourcen und dem unantastbaren Wert eines Menschenlebens sowie #HomeOffice und welche Rolle Vertrauen und Reziprozität dabei spielen. In diesem Beitrag geht es um die Bedeutung von Framing für die Einhaltung der #Quarantäne.

Verres avec de l'eau

16.10.2020, Ann-Kathrin Crede

Quarantäne als zentraler Bestandteil der derzeitigen Corona-Strategie

Derzeit basiert die Strategie des Bundes zur Eindämmung des Coronavirus einerseits auf Hygiene- und Verhaltensregeln (wie Händewaschen und Abstand halten) und andererseits auf dem sogenannten Contact Tracing, bei dem enge Kontakte von mit dem Coronavirus infizierten Personen ausfindig gemacht werden, um Infektionsketten zu stoppen. Eng verbunden mit dem Contact Tracing ist die Massnahme der Quarantäne. Während sich erkrankte Personen in Isolation begeben, sind enge Kontaktpersonen einer infizierten Person angehalten, in Quarantäne zu gehen. Auch für Reisende, die aus einem Risikogebiet zurückkehren, gilt eine Quarantänepflicht. In beiden Fällen beträgt die Dauer der Quarantäne 10 Tage und ist auch dann einzuhalten, wenn keine Symptome auftreten oder ein negatives Testresultat vorliegt. In einem dreiseitigen Leitfaden des BAG zu Anweisungen zur Quarantäne wird detailliert beschrieben, was ein Quarantäne-Pflichtiger unbedingt zu tun oder zu unterlassen hat. Laut aktuellen Angaben des BAG sollten sich derzeit (Stand 16.10.) 12 964 Kontaktpersonen von Infizierten und 12 232 Reiserückkehrer in Quarantäne befinden.

Einhaltung unklar

Soweit die Zahlen. Wie viele der Personen, die sich derzeit in Quarantäne befinden sollten, die Quarantäne tatsächlich einhalten, ist eine andere Frage. Auch wenn es sich explizit um eine Pflicht (und nicht ein Gebot) handelt, deren Nicht-Einhaltung als Übertretung behandelt und mit einer Busse von bis zu CHF 10'000 bestraft werden kann, sind die Möglichkeiten, die Einhaltung der Quarantäne zu kontrollieren, begrenzt. Ohne die abschreckenden Bilder, wie wir sie vom Beginn der Coronakrise kennen (etwa von überfüllten Leichenhäusern), sind die Anreize, sich an die Quarantäne zu halten, komplexer und eng verbunden mit der Öffentliches-Gut Problematik. Während das Kollektiv, also die gesamte Gesellschaft, davon profitieren würde, wenn sich jeder an die Quarantänemassnahme hielte, so hat der Einzelne nicht zwingend einen Anreiz, dies zu tun. Stattdessen geht die Quarantäne mit vielen Verboten und persönlichen Einschränkungen einher, die man lieber vermeiden würde. Zudem könnte die vorgeschriebene Dauer der Massnahme von 10 Tagen dazu beitragen, dass ein Ermüdungseffekt einsetzt und die Quarantäne vorzeitig beendet wird.

Ist das Glas halb voll oder halb leer? Eine Frage von Framing

Verhaltensökonomische Studien haben gezeigt, dass unsere Entscheidungen massgeblich davon beeinflusst werden, wie ein Entscheidungsproblem dargestellt wird. In einem bekannten Experiment von Tversky und Kahnemann (1981) wurden Versuchsteilnehmer mit folgendem Szenario konfrontiert: Stellen Sie sich vor, die USA bereiten sich für den Ausbruch einer ungewöhnlichen Krankheit vor, die 600 Tote zur Folge haben könnte. Zwei verschiedene Programme wurden vorgeschlagen, um der Krankheit zu begegnen. Welches der beiden folgenden Programme würden Sie wählen?

  • Wenn Programm A eingeführt wird, werden 200 Leute gerettet.
  • Wenn Programm B eingeführt wird, besteht eine 1/3 Wahrscheinlichkeit, dass 600 Leute gerettet werden und eine 2/3 Wahrscheinlichkeit, dass niemand gerettet wird.

Bei diesem Entscheidungsproblem wählten 72% der Versuchsteilnehmer Programm A und 28% Programm B. Dies zeigt, dass die Mehrheit risikoavers ist und eine Präferenz für die sichere Option hat. Einer anderen Gruppe wurde das gleiche Szenario, allerdings mit einer abgewandelten Darstellung der beiden Programme, präsentiert:

  • Wenn Programm C eingeführt wird, werden 400 Leute sterben.
  • Wenn Programm D eingeführt wird, besteht eine 1/3 Wahrscheinlichkeit, dass niemand stirbt und eine 2/3 Wahrscheinlichkeit, dass 600 Leute sterben.

Bei dieser Darstellung der Programme wählten nur 22% der Leute die sichere Option (C) und 78% die riskante Option (D). Das Experiment zeigt, dass sich Menschen bei Gewinn-Entscheidungen risikoavers und bei Verlust-Entscheidungen risikofreudig verhalten. Tatsächlich sind beide Entscheidungsprobleme aber identisch. Der beobachtete Unterschied wird mit dem sogenannten Framing Effekt erklärt.

Weitere Studien zeigen diesen Framing Effekt auch für Öffentliches-Gut Experimente. So handeln etwa Versuchsteilnehmer häufiger im Sinne des Kollektivs, wenn eine Entscheidung als Beitrag zu einem öffentlichen Gut (wovon das Kollektiv profitiert), anstatt als Kauf eines privaten Gutes (das dem Kollektiv schadet), dargestellt wird (Andreoni 1995).

Erlauben statt verbieten

Übertragen auf die derzeitige Situation lautet die zentrale Erkenntnis also: Die gleiche Massnahme kann so oder so dargestellt werden, und damit unterschiedliches Verhalten induzieren. Der Framing Effekt könnte zur Förderung der Einhaltung und Akzeptanz der Coronamassnahmen genutzt werden. So mag es uns schwerer fallen, die Quarantäne korrekt zu befolgen, wenn wir nur im Kopf haben, was alles verboten ist. Stattdessen könnten ausgewählte Aktivitäten hervorgestrichen werden, denen wir explizit nachgehen dürfen. Wäre es nicht zum Beispiel denkbar, den Quarantäne-Pflichtigen einmal am Tag zu erlauben, draussen spazieren zu gehen, wenn der Kontakt zu Anderen und somit eine Ansteckung sicher vermieden werden kann?

Neue Möglichkeiten in Betracht ziehen

Vor dem Hintergrund des erneuten Aufflammens der Infektionszahlen rückt die Frage wieder näher, ob weitere Massnahmen nötig sind. Das oberste Ziel besteht darin, einen zweiten Lockdown und damit verbundene Folgeschäden zu vermeiden. Auf dieser Basis sollte überlegt werden, wie die derzeit geltenden Massnahmen dargestellt und womöglich angepasst werden können, um die Akzeptanz und Solidarität in der Bevölkerung hoch zu halten. Der Framing Effekt könnte dabei helfen.

 

Quellen:

Andreoni, J. (1995). Warm-glow versus cold-prickle: the effects of positive and negative framing on cooperation in experiments. The Quarterly Journal of Economics, 110(1), 1-21.

Sonnemans, J., Schram, A., & Offerman, T. (1998). Public good provision and public bad prevention: The effect of framing. Journal of Economic Behavior & Organization, 34(1), 143-161.

Tversky, A., & Kahneman, D. (1981). The Framing of Decisions and the Psychology of Choice. Science, 211(4481), 453-458.

 

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