Definition der Digitalisierung
Trotz der Omnipräsenz des Begriffs der Digitalisierung wird dieser selten schlüssig definiert.
19.12.2022, Ramon Gmür, Matteo Mattmann, Urs Trinkner
Digitalisierung: Von Amts wegen gefördert, aber kaum definiert
«Digitalisierung», «digitaler Wandel», «digitale Transformation» – diese oder ähnliche Schlagwörter sind seit längerem in aller Munde. Auch in der Politik ist der Begriff der Digitalisierung allgegenwärtig. Zum Beispiel im Kontext der nachhaltigen Entwicklung: Bundespräsident Ignazio Cassis schreibt im neusten Länderbericht der Schweiz zur Umsetzung der Agenda 2030, dass Digitalisierung ein grosses Potenzial zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung darstelle und digitale Lösungen gesucht werden müssen.[1] Oder im Gesundheitswesen: Da weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass das schweizerische Gesundheitswesen Nachholbedarf im Bereich der Digitalisierung hat – die Neue Zürcher Zeitung titelte jüngst sogar von einem «Verschlafen der Digitalisierung des Gesundheitswesens»[2] –, arbeitet die Politik zurzeit unter Höchstdruck daran, das Elektronische Patientendossier flächendeckend einzuführen. Schliesslich sind auch auf Verwaltungsebene Bestrebungen im Gang, die Digitalisierung vorwärtszutreiben (Stichwort E-Government). Mit diesem Ziel haben der Bundesrat und die Kantonsregierungen per Anfangs Jahr die Organisation «Digitale Verwaltung Schweiz» geschaffen.
Definitionen sind oft tautologisch
In der Politik sind bislang wenige Versuche dokumentiert, den Begriff der Digitalisierung zu fassen. Die seltenen Definitionen des Begriffs sind zudem oft tautologisch. Die «Strategie Digitale Verwaltung 2018-2023» des Kantons Zürich[3] definiert etwa wie folgt:
«Der Begriff «Digitalisierung» meint in der ursprünglichen Bedeutung die Bereitstellung von Informationen in digitaler Form und die Automatisierung von (wiederkehrenden) Aufgaben durch Informatiklösungen.»
Die EU definiert ähnlich tautologisch in einem Grundsatzpapier zur digitalen Transformation[4]:
«Digital transformation covers both the integration of digital technologies by European enterprises and the impact on society of new technologies, such as the Internet of Things (IoT), cloud computing, innovative digital platforms and blockchain technologies.»
In einem Konzeptpapier des deutschen Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat wird zwar nicht tautologisch, aber ausschliesslich über die Konsequenzen der Digitalisierung definiert:[5]
«Die Digitalisierung löst bedeutende Veränderungsprozesse in Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung aus. Die Leistungserbringung für Bürger und Unternehmen kann einfacher, besser zugänglich und zugleich für die Verwaltung effizienter werden.»
Obwohl der Begriff der Digitalisierung omnipräsent, titelgebend für diverse Politikstrategien und Empfangskriterium von öffentlichen Fördergeldern ist, wird er kaum je sauber definiert.
Definition: Digitalisierung als Veränderungsprozess
Eine Möglichkeit einer Definition von Digitalisierung ist über eine Prozessperspektive. Denn die Digitalisierung durchdringt bestehende Prozesse und ermöglicht neue Dienstleistungen, indem Informationen binär verarbeitet und verstärkt vernetzt werden. Die Digitalisierung löst also nicht nur Veränderungsprozesse aus, sie ist selbst ein Veränderungsprozess.
In einer Arbeit für die Bundesverwaltung haben wir daher den Begriff der Digitalisierung wie folgt definiert:
«Digitalisierung ist ein Veränderungsprozess zur verstärkten binären Verarbeitung und Vernetzung von Informationen, begünstigt durch stetig verbesserte Rechenleistung, Speicherkapazität und Übermittlungsgeschwindigkeit.»
Quellen:
[1] Vgl. Schweizerische Eidgenossenschaft (2022): Die Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: Länderbericht der Schweiz 2022 (https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/71403.pdf).
[2] Neue Zürcher Zeitung (02.02.2021): Die Schweiz hat die Digitalisierung des Gesundheitssystems verschlafen – wie sehr, zeigt ein Vergleich mit Dänemark (https://www.nzz.ch/schweiz/der-vergleich-mit-daenemark-zeigt-wie-sehr-das-schweizer-gesundheitswesen-die-digitalisierung-verschlafen-hat-und-warum-sich-das-in-der-pandemie-boese-raecht-ld.1598285).
[3] Kanton Zürich (2018): Strategie Digitale Verwaltung 2018-2022 (https://www.zh.ch/content/dam/zhweb/bilder-dokumente/organisation/staatskanzlei/digitale-verwaltung-und-e-government/strategie_digitale_verwaltung.pdf).
[4] European Parliament (2019): Digital transformation. Briefing: EU policies – Delivering for citizens (https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2019/633171/EPRS_BRI(2019)633171_EN.pdf).
[5] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2018): OZG-Umsetzungskonzept: Digitalisierung als Chance zur Politikgestaltung (https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/moderne-verwaltung/ozg-umsetzungskonzept.pdf?__blob=publicationFile&v=3).
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